Im Mai startet Facebook News in Deutschland – bei dem eigenen Nachrichtenangebot sind hierzulande über 100 Medienmarken dabei. MEEDIA hat bei den deutschen Verlagen nach den Details zu der Kooperation gefragt. Interessant sind auch die Antworten der Verlage, die nicht an Bord sind.
Eine Milliarde US-Dollar will Facebook in den Journalismus investieren, nicht allein am Standort Deutschland, weltweit, über den Zeitraum von drei Jahren. Aber allein hierzulande sind über 100 Medienmarken an der Partnerschaft beteiligt. Anfang März hatte Facebook verkündet, wer in Deutschland beim News-Angebot des größten sozialen Netzwerks der Welt mit an Bord sein wird. „Zeit“, „Spiegel“, „FAZ“, „Handelsblatt“, „Taz“, die Magazine von Gruner & Jahr und Condé Nast sind demnach genauso vertreten wie Regionaltitel von Funke, Ippen oder DDV und Special-Interest-Angebote von Heise, Motor Presse Stuttgart oder dem Spektrum-Verlag. (Die genaue Auflistung aller Verlage finden sie am Ende des Beitrags sowie in diesem Überblicksartikel zusammen mit allen Details zur Funktionsweise von Facebook News) MEEDIA wollte Details zu der Kooperation mit Facebook wissen und hat bei den teilnehmenden Verlagen nachgehakt, aber auch bei Verlagen die aktuell explizit nicht in der Partnerschaft genannt sind, dabei handelt es sich unter anderem um die Südwestdeutsche Medien Holding, Burda und Axel Springer.
Die teilnehmenden Verlage haben folgende Fragen von MEEDIA erhalten:
Wieso nehmen Sie an dem Programm Teil?
Zahlt Facebook eine Lizenzgebühr für die verwendete Beiträge oder gibt es eine Pauschale?
Auf welche Dauer ist die Facebook-News-Partnerschaft angelegt?
Wie groß ist der Aufwand der Redaktion?
Wie viel verdient der Verlag an der Partnerschaft?
Was sagt Sie zu dem Vorwurf, dass eine Teilnahme an Programmen von Google und Facebook zu einer Entwertung journalistischer Inhalte führt? Und stimmt es, dass die Artikel nicht lizenziert werden, sondern eine pauschale Summer gezahlt wird?
Was sagt Sie zu dem Vorwurf, dass eine Teilnahme an den Partner-Programmen von Google und Facebook die Position der Verlage in Deutschland gegenüber Plattformen wie Google und Facebook schwächt?
Die Antworten zu den Fragen im Einzelnen:
„Wir haben eine hohe organische Reichweite und sind damit unabhängig von Angeboten wie Facebook News. 60 Prozent unserer Leser kommen direkt über ihren Browser auf mopo.de, sagt Geschäftsführer Arist von Harpe.
Wieso nehmen Sie an dem Programm Facebook News teil?
Bei der Antwort auf diese Frage sind sich die Verlage weitgehend einig: Man habe im Vorfeld bereits mit Facebook für die eigenen Medienmarken gearbeitet und wolle jetzt „Facebook News nutzen, um die Leser auch auf diesem Kanal zu erreichen“, sagt etwa Arist von Harpe. Der Geschäftsführer der „Hamburger Morgenpost“ erhofft sich außerdem einen weiteren Effekt von dem Angebot, und zwar „eine stärkere Stimme für den echten Journalismus und weniger Verbreitung von Fake News und Hatespeech.“ Genauso sieht man das beim „Tagesspiegel“ wie auch beim Zeit-Verlag, neben der Steigerung der Reichweite wird ein mit der Partnerschaft eine „Stärkung qualitätsjournalistischer Inhalte auf Facebook“ verbunden, erfährt man aus Hamburg.
Mehr Details liefert die „Taz“. Dort verspricht man sich „weiter steigende Zugriffe und eine bessere Wahrnehmbarkeit im Wettbewerb mit anderen Medien“, sagt Aline Lüllmann. Zudem spricht die Verlagsgeschäftsführerin von einer klaren „wirtschaftlichen Entscheidung.“ Man sei zwar in der Lage die sinkende verkaufte Printauflage durch den „Verkauf unserer digitalen Angebote (App) und freiwilligen Zahlungen für ‚taz zahl ich‘ zu ersetzen, aber es ist nicht sicher, ob diese Erträge für die dauerhafte Finanzierung des taz-Journalismus ausreichen werden.“ Facebook News sei da eine weitere Finanzierungsquellen. „Dabei wird der weit überwiegende Teil unserer Finanzierung auch zukünftig von unseren Leser*innen kommen und keine Abhängigkeit von den großen Monopolisten der digitalen Welt darstellen“, stellt Lüllmann klar. Auch bei der „FAZ“ erwarte man „zusätzlichen Traffic auf ‚faz.net‘, da nur Teasertexte von Facebook ausgespielt werden“.
Beim Spiegel-Verlag wird in der Kooperation eine Möglichkeit für Leser gesehen, „sich mit der Marke vertraut zu machen und, in letzter Konsequenz, an unser Abo-Produkt ‚Spiegel+‘ heranzuführen.“ Einen ähnlichen Blickwinkel liefert die Heise Gruppe. Falko Ossmann, CDO im Verlag, wiederholt das Statement aus der Facebook-Pressemitteilung. Demnach zeige man sich wie üblich gespannt, wie die Fachinhalte von „C’t“ und „Heise online“ bei Facebook News genutzt werden. Er ergänzt aber, dass nicht die Lizenzzahlung für den Content im Vordergrund stünden: „Es geht uns darum, das Potenzial der sozialen Medien für unsere Premium-Bezahlprodukte auszubauen und stärker zu nutzen.“ Die Kooperation solle helfen, um mehr über das „Conversion-Verhalten der Facebook-User zu lernen“. Im Fokus steht also auch hier die Erschließung neuer Zielgruppen, vor allem mit Blick auf die „Premium-Produkte wie Heise+, Heise Security Pro und die Heise Academy“, so Ossmann.
Auch bei Funke zeigt man sich überzeugt „noch mehr (potenzielle) Nutzerinnen und Nutzer zu erreichen, diese stärker an uns binden und ggf. höhere Erlöse durch den Verkauf von Digital-Abos erzielen zu können“. Bei der Handelsblatt Media Group sieht man einen klaren Vorteil in der Kooperation: Nicht nur Google, Facebook und Co. profitierten von den neuen Inhalten, sie „bringen uns umgekehrt auch viel Reichweite und damit potenzielle neue Leser*innen und Kund*innen.“
DDV Sachsen, der Verlag betreibt „saechsische.de“ und das Portal „Tag24“, sieht das Ziel in der Partnerschaft darin, „die eigenen Plattformen zu stärken“. Man wolle aber gleichzeitig neue Zielgruppen erschließen.“ Zielgruppen, die auch für die regionalen Inhalte zahlen. Der Verlag spricht davon, dass man via Facebook Links in das DDV-Angebot zur Verfügung stelle, „wo wir unsere eigene Paywall betreiben“.
Paid oder Free? Das entscheidet das Medium
Nach Informationen von Facebook können die Verlage und Medienhäuser selbst entscheiden, ob sie die User auf freie, Paid- oder Freemium-Artikel schicken. Facebook stellt nur den Link und die Vorschau zur Verfügung. Hier geht das Netzwerk einen anderen Weg als Google. Dort zahlt man die Inhalte unabhängig von einer Paywall, auch Paid-Artikel werden dem Leser kostenlos zur Verfügung gestellt. Bei Ippen Digital, unter anderem mit dem „Münchner Merkur“ vertreten, ist man interessiert an innovativen Lösungen, „um die Inhalte aus dem Ippen.Media Netzwerk userorientiert zu distribuieren.“ Die Mediengruppe Oberfranken, zu der unter anderem „inFranken.de“ gehört, gibt sich bescheiden als „recht kleiner Player“ im Kontext von Facebook News. Man probiere sich erst einmal aus. Beim nachhaltigkeitsorientierten Medium „Utopia“ sieht man ebenso die Chance, „noch mehr Menschen zu erreichen und zu inspirieren – vor allem die, die uns noch nicht kennen.“
Süddeutsche, Burda, Axel Springer – Das sagen die Verlage, die nicht bei Facebook News teilnehmen:
Auch wenn die Liste der teilnehmenden Verlage und Medienmarken nciht gerade kurz ausfällt, so fehlen doch ein paar Größen aus der Branche. Aber wie Facebook Anfang März verkündete, „werden bei der Einführung von Facebook News in Deutschland im Laufe des Jahres weitere Partner bekannt geben“. Man ist also im Gespräch mit anderen Verlagen und Medienmarken. Aktuell fehlen zum Beispiel die Digitalangebote der öffentlich-rechtlichen Sender wie „tagesschau.de“, auch Ströer ist nicht an Bord. Wer ebenso nicht in der Liste auftaucht, ist die „Süddeutsche Zeitung“, beziehungsweise der Mutterkonzern Südwestdeutsche Medienholding (SWMH). Axel Springer ist aktuell nicht vertreten, genauso wie Burda. Bei diesen drei hat MEEDIA noch einmal nachgehakt.
Burda in Verhandlung, Springer über Umwege an Bord
Bei der SWMH fiel die Antwort eindeutig aus, auch auf Nachfragen teilte man nur mit, dass man sich nicht mitteilen wolle. Ob also Gespräche geführt werden oder eine Kooperation sogar kategorisch abgelehnt wird, das lässt sich an der Stelle nicht sagen. Zumindest ist die SWMH auch nicht im Konkurrenzangebot von Google vertreten.
Anders sieht es bei Burda aus. Der Verlag ist bei der Alphabet-Tochter mit an Bord, und zwar mit dem Angebot von „Focus Online“. Bei Facebook nimmt man eine andere Haltung ein. Burda-Chef Paul-Bernhard Kallen ließ sich jüngst erst in der „Süddeutschen“ mit dem Satz zitieren: „Von den sozialen Medien kann eine große Gefahr ausgehen.“ In Zusammenhang mit Facebook und Google sprach er davon, dass die monopolistischen US-Internetkonzerne inzwischen so groß und mächtig seien wie Staaten: „Verhandelt wird nicht mehr mit anderen Unternehmen oder Verlagen, sondern mit Staaten – und auch nicht auf Augenhöhe. Der Druck ist groß.“ Verzichtet man bei Burda aus diesem Grund auf eine Partnerschaft mit Facebook im News-Bereich? So ist es dann wieder auch nicht. Auf Nachfrage erhält MEEDIA die Bestätigung, dass Burda mit Facebook bezüglich des News-Programms in Kontakt stehe, aber derzeit noch ergebnisoffen.
Bei Axel Springer scheint die Position klarer: Zwar war, wie Jesper Doub mitteilte, das gemeinsame Gespräch von Facebook-CEO Mark Zuckerberg und Springer-Chef Mathias Döpfner im April 2019 ausschlaggebend für das News-Programm. Für Springer und seine Medienmarken wie „Bild“ und „Welt“ schien das Angebot aber trotzdem nicht ausreichend. Gegenüber der „dpa“ erklärte ein Sprecher, ohne Facebook und Google zu nennen: „Wir halten die Versuche einiger Plattformen für problematisch, einerseits selbst zu Nachrichten-Medien zu werden und andererseits einige zuliefernde Verlage mit unangemessen niedrigen Vergütungen abzuspeisen. Wir setzen auf ein europäisches Copyright, das transparent alle Verlage an einer angemessenen Vergütung teilhaben lässt.“
Axel Springer kooperierte mit Facebook als Dienstleister für das Newsangebot
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Konzern an anderer Stelle bei Facebook News vertreten ist. Nämlich als Dienstleister über Upday. Die Aggregatar-Lösung spielt ähnlich wie Facebook News Nachrichten aus, nur ausschließlich auf Samsung-Galaxy-Geräten. Im Vereinigten Königreich ist Springer via Upday eine Partnerschaft mit Facebook eingegangen.
Der Konzernsprecher dazu: „Im Rahmen der Kooperation mit Facebook News in UK ist Upday Dienstleister, der die Kuration von Artikeln übernimmt.“ Einen Widerspruch zur ablehnenden Haltung auf der inhaltlichen Ebene sieht man bei Springer in dieser Praxis nicht. „Eine solche Kooperation unterscheidet sich grundsätzlich von Vereinbarungen, bei der einer Plattform eigene journalistische Inhalte zur Nutzung überlassen werden.“ Die Rückfrage, ob Axel Springer auch in Deutschland für diesen Service im Austausch sei, bejahte man aus dem Konzern: „Wir sind mit Facebook dazu im Gespräch.“
Fazit: Reichweite, Abos und Daten als treibende Faktoren
Wirft man einen Blick auf die Antworten aus den Verlagen, so ergibt sich ein klares Bild: Die Teilnehmenden wollen grundsätzlich in den Bereichen Traffic und Vergütung wachsen. Genau diese Möglichkeit bietet Facebook News. Schließlich handelt es sich um einen neuen, zusätzlichen Vertriebskanal für die eigenen Inhalte, der auch neue Leser binden könnte, vor allem zahlende. Denn ob die teilnehmenden Verlage auch noch auf eigenen Paid-Content verlinken, bleibt ihnen überlassen. Ein weiteres Plus.
Darüber hinaus unterscheidet sich die Beweggründe: bei der „Taz“ etwa spricht man von einer wirtschaftlichen Entscheidung, beim „Spiegel“ davon, weitere Plus-Abos zu generieren, beim Heise-Verlag will man ein tieferes Verständnis für die Conversion-Mechanismen gewinnen. Auch weitere Daten über das User-Verhalten sind ein Gewinn. Neben den rein monetären Gründen wird auch immer wieder ins Feld geführt, dass eine Teilnahme auch eine Stärkung des Qualitätsjournalismus sei.
Tatsächlich könnte der Mix aus Algorithmus-basiertem und kuratiertem Angebot auf Facebook News dazu führen, dass die Sichtbarkeit seriöser Angebote erhöht wird. Nach jahrelangen Debatten zur Verantwortung von Facebook bei Themen wie Fakenews und Hatespeech, handelt das Netzwerk inzwischen konsequenter, vor allem weil der öffentliche Druck aus Gesellschaft und Politik wächst. Das zeigt auch ein Blick auf die Zahlen: Aktuell macht der Anteil von Nachrichten-Inhalten bei Facebook global gerade einmal vier Prozent aus. Auch wenn Jesper Doub von Facebook gegenüber MEEDIA erklärt, dass circa 20 Prozent der User grundsätzliches Interesse an News hätten, so zeigt sich klar: Das Netzwerk ist alles andere als angewiesen auf den Content. Ein größeres Interesse könnten Facebook wie auch Google mit der globalen Journalismusförderung hingegen daran haben, die Bestrebungen zu zerstreuen, gegen die Monopolstellung der Tech-Konzerne in den USA und der EU vorzugehen.